Ein sehr interessanter Artikel von Karin Bauer vom Standard, der sich mit dem Thema „Ghosting“ bei der Personalsuche beschäftigt.
„Job-Ghosting als Reaktion auf das Verhalten der Firmen, auf Bewerbungen nicht zu antworten. Es braucht mehr Transparenz im Bewerbungsprozess Dutzende individuell verfasste Bewerbungen, Dutzende ausgefüllte Masken und hochgeladene Lebensläufe – keine Antwort. Höchstens eine Mail: „Leider nein, wir wünschen alles Gute.“ Bewerber haben schlechte Erfahrungen mit Unternehmen und deren Recruitingpraxis. Die Botschaft, die ankommt: Du bist mir gar nichts wert. Jetzt, im boomenden Arbeitsmarkt – in den USA ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr, Deutschland und Österreich schmücken sich dank der Konjunktur mit guten Daten – kriegen Arbeitgeber die Rechnung präsentiert: Die (elektronisch) Angeheuerten erscheinen nicht zum Arbeitsbeginn und sind auch nicht mehr zu erreichen. „Ghosting“ heißt das Phänomen, entlehnt aus der Welt der Dating-Plattformen, wenn das virtuell gefischte Objekt der Begierde nicht erscheint und lediglich ein Geist bleibt. Die anderen sind schuld Beim Ghosting im Job geht es nicht nur um Niedrigqualifizierte, denen man sowieso sagt, wie unerheblich und austauschbar sie sind, sondern auch um gutqualifizierte Millennials. No-Shows, wie es in US-Medien heißt, plagen aktuell mit hohen Steigerungsraten die Unternehmen. Aber auch in deutschen Medien und Karriereforen ist Ghosting im Job angekommen. Seit die US-Notenbank Federal Reserve das Job-Ghosting kürzlich in ihren Wirtschaftsreport Beige Book aufgenommen hat, ist es auch hochoffiziell ein Trend im Arbeitsmarkt. Die Erklärungsversuche der Unternehmen und deren Berater sind erwartbar: Es handle sich eben bei den Millennials um eine Generation, die überhaupt nicht mehr soziabel ist, kein Benehmen, keinen Anstand und überhaupt null kommunikative Kompetenz außerhalb von Instagram hat. Eh klar, die anderen sind schuld. Transparente Bewerbungsprozesse Gleichzeitig taucht auch in den US-Medien das gute alte deutsche Wort „Schadenfreude“ auf: Job-Ghosting sei die Reaktion auf das Verhalten der Firmen, auf Bewerbungen nicht zu antworten. Umgedrehter Spieß – es wurde jahrelang erlebt, dass man bedeutungsloses „Material“ ist. Ändern können daran tatsächlich nur Unternehmen selbst etwas, und die Antwort ist einfach: transparente Bewerbungsprozesse, Einsicht für Kandidaten, wo sie gerade stehen und fortlaufender Kontakt inklusive individueller Absage im Fall des Falles. Es ist immer wieder das Menschenbild der Firmen, das das Gute vom Schlechten trennt.“
Quelle: Karin Bauer, derStandard.at vom 22.01.2019